Aquilin Ullrich

Aquilin Ullrich (1914-2001)

Aquilin Ullrich (*14. März 1914 in Dillingen an der Donau; †30. Mai 2001 in Stuttgart) wuchs als Sohn des Dillinger Gymnasiallehrers Friedrich Ullrich in einem katholisch und monarchistisch geprägten Elternhaus auf. Nach dem Abitur am damaligen Humanistischen Gymnasium 1933 und einem freiwilligen Arbeitsdienst studierte er zunächst Theologie und wechselte dann zur Medizin. 1934 schloss sich Ullrich dem NS-Studentenbund und der SA an, ab 1937 war er auch Mitglied der NSDAP.

Aufgrund des Kriegsausbruchs wurde Ullrich im November 1939 notapprobiert.. 1940 wurde er von Werner Heyde, dem ärztlichen Leiter des nationalsozialistischen „Euthanasie“-Programms in Berlin für die T4-Organisation als Vertreter des Leiters der Tötungsanstalt Brandenburg angeworben, wo er bis November 1940 tätig war: Mit „T4“ wird die planmäßige Tötung von Menschen mit körperlichen, geistigen und seelischen Behinderungen bezeichnet. Der „Aktion T4“ fielen mehr als 70.000 Personen zum Opfer.

Zwischen März und November 1940 führte Aquilin Ullrich als Vertreter des Leiters der Tötungsanstalt Brandenburg Visiten durch, die als Grundlage für die Angabe falscher Todesursachen in den Sterbeurkunden dienten. Er verfasste unter dem Tarnnamen „Dr. Schmitt“ falsche Beileidsschreiben. Im Dezember 1940 wechselte Ullrich an die Planungsabteilung der T4-Zentrale in Berlin, wo er an der Vorbereitung eines „Euthanasie-Gesetzes“ mitwirkte. Im Sommer 1941 wurde Ullrich in Würzburg zum Dr. med. promoviert. Nach Kriegsende floh er aus der amerikanischen Kriegsgefangenschaft und tauchte unter falscher Identität ab. Er arbeitete im Saarbergbau, wurde 1952 Facharzt für Gynäkologie in Stuttgart. Erst ab den 1960er-Jahren kam seine T4-Mittäterschaft juristisch in den Blick. Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main warf im 15. Januar 1965 Ullrich und drei weiteren Ärzten vor, „heimtückisch, grausam, aus niederen Beweggründen, vorsätzlich und mit Überlegung jeweils mehrere Tausend Menschen getötet zu haben“. Im Gerichtsurteil vom 23. Mai 1967 wurde die Beihilfe Ullrichs zum Mord an mindestens 1.815 Patienten festgestellt, davon mindestens 215 Menschen durch eigenhändige Tötung. Allerdings wurde er wegen Verbotsirrtums freigesprochen. Ullrich sei also, so das Gericht, die Widerrechtlichkeit seiner Handlungen nicht klar gewesen. Zwar wurde diese Entscheidung durch den Bundesgerichtshof 1970 aufgehoben, doch zu einem weiteren Prozess gegen Ullrich kam es nicht, da ihm Verhandlungsunfähigkeit attestiert wurde. In der Zeit der Gerichtsverfahren ist Dr. med. Aquilin Ullrich als Mitglied der Studienvereinigung Dilingana nachweisbar. In den Mitteilungen Nr. 32 vom Sommer 1968 taucht er auf Seite 19 als Frauenarzt in Stuttgart auf.

Bis 1984 konnte er weiter als Arzt praktizieren, dann wurde ihm seine Approbation durch den Stuttgarter Regierungspräsidenten entzogen .1987 wurde er wegen Beihilfe zu mindestens 4.500 Morden zu vier Jahren Haft verurteilt. Da in einem Revisionsverfahren die Beihilfe zum Mord nur für 2.340 Fälle nachgewiesen werden konnte, wurde die Haftstrafe auf drei Jahre reduziert. Nach 20 Monaten Haft wurde Ullrich auf Bewährung entlassen. Aquilin Ullrich starb 2001 und wurde auf dem Stuttgarter Pragfriedhof beigesetzt.

Korbinian Jall